Unser Plan: ein eigenes Schließsystem, namens pylocx, entwickeln. Wartungsfrei. Nie mehr Batterien tauschen. Nie mehr zittern, wenn das Telefon klingelt. Keine täglichen Störungen. Keine täglichen Instandsetzungen. Schluss. Wir öffnen ein neues Kapitel. Power Point Präsentation. Erklärungen. Fragen. Antworten. Eine letzte Pause und warten.
Der Leiter beendet das Schweigen. „Das wird ein steiniger Weg Frau Engel-Dahan. Wir gehen ihn mit Ihnen. Wir schreiben die Verträge um. Wir haben eine Bedingung, dass Sie alles, was Sie bisher an uns verkauft haben, kostenlos tauschen! Wollen Sie sich das überlegen?“
Ich schaue den Herrn an. Ich überschlage die Zahlen im Kopf. Was abgerufen wurde. Was noch offen war. Der Vertrag. Die Chancen. Die Verluste. Die Alternative. Die Hoffnung. Ja. Nein. Meine Entscheidung steht. Ich weiß es, mehr ist nicht möglich. Nägel mit Köpfen!
Ich strecke ihm die Hand entgegen. „Ja, einverstanden. So machen wir das.“ Er ist überrascht, dann lächelt er. „Gut.“ Der Herr schüttelt meine Hand. Ich spüre eine Welle der Erleichterung.
Rechnen und Mut machen
Danach im Auto bin ich unter Schock: war das richtig? War nicht anders möglich, kommentiert mein Entwicklungsingenieur. Nun gut. Es ist, wie es ist. Das kriegen wir hin! Am nächsten Tag im Büro rechnen wir mit spitzem Bleistift. 1,5 Millionen Euro. Das ist eine Summe. Das frisst mehr als die Gewinne auf. Macht nichts, wir klagen das ein. Bei einem Vergleich kriegen wir mindestens die Hälfte zurück. Wir haben Fehlergutachten aus allen Bundesländern. Wir tauschen nicht auf einmal. Zug um Zug. Und außerdem werden wir neue Kunden gewinnen. Mutig voran!
Im Auge des Sturms
Gut, dass man nicht weiß, was das Leben beschert. Tatsächlich befanden wir uns im Auge des Sturms, unsere Klage hatten wir wegen Verfahrensfehler verloren. Die Anschlussklage gegen die Versicherung ebenfalls. Die Richterin hatte auf Vergleich gepocht, zu komplex. Die Versicherung forderte ein Urteil und lehnt sich zurück. In der nächsten Instanz hätten wir wahrscheinlich Erfolg gehabt, doch es fehlte an Kapital. 300 TEUR für Anwälte und Gerichte waren bereits weg. Final hatten wir 2,5 Millionen Euro zu schultern. Schluss. Ich habe losgelassen. Wir starten durch. Wir brauchten Liquidität zur Herstellung unserer Waren.
Gemeinsam bestärken und durchhalten
Wie haben wir diese schwere Krise bewältigt? Jede Woche immer nur bis Freitag gedacht. Freitags haben wir ein Glas Sekt getrunken und uns gefreut „Hurra, wir leben noch.“ ‚Samstag/Sonntag Ausruhen! Montags ging es gestärkt ans Werk. Woche für Woche. Jahr um Jahr. Wir hatten unzählige Rückruf-Aktionen. Ja. Ich habe viel geweint. Auch nach Bankgesprächen. Ich habe viel gelernt über Metalle und Legierungen, über Leiterplatten und Coatings, über Montage, Firm- und Hardware. Als Hersteller trägt man Verantwortung für alles. Als Distributor kann man fehlerhafte Ware einfach reklamieren. Das war eine harte Schule. Wenn man etwas verkauft, dann gibt man dem Kunden ein Versprechen. Versprechen muss man einhalten! Andernfalls verliert man das Vertrauen. Vertrauen ist essenziell für Partnerschaft und Business, nicht nur in der Sicherheitsbranche.
Es hat sich ausgezahlt
Das erste Produkt war unser Rohrtresor wurde bereits im Herbst 2011 eingesetzt. Heute fehlerfrei und unvergleichlich für wartungsfreien Einsatz an dezentralen Standorten. Unser pylocx Profilzylinder-System war die größte Herausforderung. Vier Jahre gingen in Land. Danach haben wir 12 Monate Feldtest durchgeführt. Wir wollten keine Rückholaktionen mehr. Wir haben es geschafft. Es war ein sehr steiniger Weg, der Herr in Berlin hatte Recht.
Wartungsfrei und ausfallsicher
Heute ist pylocx ein ausfallsicheres, wartungsfreies Schließsystem. Es ist für KRITIS Einsatz (Zugang und Zutritt, Standort- und Behältnis-Sicherung) vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik überprüft und zertifiziert (BSI) weltweit patentiert (Deutschland, Europa, China, Japan, Russland, USA, Brasilien, Südkorea). Ein Schweizer Entwicklungsingenieur einer namhaften Branchengröße hat zu mir gesagt: „Das Einzige, was mir an pylocx nicht gefällt ist, dass wir es nicht entwickelt haben.“ Da fällt mir ein, dass unsere Magnete aus der Schweiz kommen.
pylocx - Manuela's Baby
Es wurde viel gestritten, um dieses Baby und wenn zwei sich streiten, dann freuen sich Dritte, das ist der Lauf der Zeit. Letztlich musste ich pylocx und Lock Your World gehen lassen. Ein sehr schmerzhafter Prozess, den nicht nur Mütter, sondern auch Ingenieure kennen, wenn Ideen weiter wandern und man nicht mehr Teil davon ist … Baby, leb wohl.